Spiritualität als Bestandteil einer regenerativen Kultur
Spirituelles Erleben ist unserer Sicht nach eine bereits durch unsere Biologie in uns Menschen angelegte Möglichkeit.
Dank unseres Großhirns, insbesondere unseres Stirnlappens sind wir in der Lage, „mentale Zeitreisen“ zu vollziehen. Wir können hier und jetzt etwas spüren, mehr oder weniger deutlich wahrnehmen, was physikalisch nicht nachweisbar ist.
Dies kann die Liebe längst verstorbener Personen sein oder ein Gefühl, beschützt und gesegnet zu sein (beispielsweise von Gott), es kann der große, umfassende Frieden sein, den wir uns für die Welt ersehnen und den wir im Gebet dann direkt und wie anwesend fühlen können, und vieles vieles vieles mehr.
Die Eindrücke, die wir über unsere Sinne sammeln verknüpfen sich mit persönlich erfahrenen und überpersönlich (also kultur-bedingt) präsenten Symbolen und Interpretationsweisen. So entsteht in uns das individuelle, mit unserer Sinneswahrnehmung und unseren Empfindungen verknüpfte Erleben ebenso wie die verschiedenen Deutungsebenen, die uns zugänglich sind und die sich daraus ergebenden Emotionen, die das Ganze angenehm, verlockend oder abschreckend oder herausfordernd machen können.
Zu allem was an einer Erfahrung sichtbar oder messbar ist, mischt sich somit stets ein enormer Teil von Unfassbarem mit dazu, der unser Erleben und unsere Bewertungen von Situationen beeinflusst und für Menschen ebenso real sein kann (oder manchmal sogar noch wahrhaftiger und relevanter als das oberflächliche Erleben).
Mit der Fähigkeit für dieses „spirituelle“ Erleben scheint für einen großen Teil der Menschen auch ein Bedürfnis danach verbunden zu sein, ein Hunger und eine Sehnsucht nach Gegenständen, Bildern oder Handlungen, die einfach mehr bedeuten.
Spiritualität als ein menschliches Grundbedürfnis
Unser Anliegen ist es dabei, das Menschen dieses Bedürfnis für sich selbst und zusammen mit ihren Mitmenschen auf Weisen versorgen können, die sich nicht nur individuell gut anfühlen, sondern auch anderen Menschen, der Gesellschaft und dem lebendigen System Erde dienen.
In unserer Herangehensweise geht es nicht darum, eine besonders wahrhaftige oder gar einheitliche Form der Spiritualität zu finden, sondern jenseits von, aber auch innerhalb von institutionalisierten Religionen die individuellen Zugänge zu würdigen.
Schöpfungskraft und -Kräfte entziehen sich unserer Logik, sind nicht messbar, quantifizierbar, kontrollierbar.
Das Wunder des Lebens ist erstaunlich. Was ist es, was die Welt in ihrem innersten zusammenhält? Niemand weiß es. Und doch können wir als Menschen eine Beziehung zu den zahllosen uns umgebenden und in uns wohnenden Geheimnissen aufbauen.
Kinder entwickeln in ihren ersten Lebensjahren eine „animistische“ Haltung gegenüber der Welt. Das heißt, sie sehen alle Wesen, auch Steine oder die Erde als beseelt an, und vertreten eine magische Sicht auf Geschehnisse.
Zahlreiche anthropologische Studien zeigen, dass der sogenannte Animismus eine Weltsicht ist, die sich vermutlich schon ganz zu Beginn der Menschheitsgeschichte entwickelt hat und an allen Orten der Erde in der Mehrzahl aller Kulturen bewahrt wurde – vielleicht weil Animismus der Realität sehr nahe kommt? Ob das stimmt oder nicht, ist nicht beweisbar – ganz sicher ist aber, dass eine animistische Weltsicht uns als Menschen dabei helfen kann, respektvoll mit unserer nicht-menschlichen Mitwelt umzugehen.
Respekt für unsere Mit-Wesen
Animistisches Denken kann, wenn es nicht unterdrückt und umgelenkt wird, auch im westlichen Kulturkreis bis ins Erwachsenenalter lebendig bleiben, und wie empirische Studien zeigen, sogar ganz wunderbar auch mit wissenschaftlichen Denkweisen Seite an Seite existieren.
Wir glauben, dass wir mit dieser Ausdrucksform von Spiritualität als Menschheit auf Augenhöhe, mit Respekt gegenüber den anderen Wesen der Erde existieren können. Statt uns alles „untertan“ zu machen, können wir es so vielleicht schaffen, vielmehr als Hütende und Hegende die Vielfalt und Fülle der Ökosysteme zu erhalten und zu mehren (wie viele indigene Kulturen dies bis heute vorleben).
Eine derart „naturverbundene“ Spiritualität, die durch das eigene bewusste Erleben und Wahrnehmen vom Leben um uns herum und auch in unseren Körpern genährt werden kann, kann dabei helfen, mit Ehrfurcht, Demut und Dankbarkeit durchs Leben zu gehen – Kompetenzen, die gerade in schwierigen Zeiten sehr hilfreich sein können.
Unser Anliegen ist es dabei, nicht nur den großen Religionen, sondern gerade auch individuellen, erfahrungsbasierten (und damit immer einzigartigen) Formen einer Leben bejahenden, im Ökosystem Erde verwurzelten Spiritualität einen Raum zu geben. Es geht uns auch darum, diesen respektvollen Ausdrucksformen von Spiritualität einen festen Platz im gesellschaftlichen Leben einzuräumen, etwas das jenseits von Religion, aber sogar auch innerhalb religiöser Kontexte möglich sein kann.
Letztendlich können auf unsere physischen Lebensgrundlagen und unsere nicht-menschliche Mitwelt bezogene Formen von Spiritualität auch dabei helfen, die Vielfalt und Fülle unserer inneren Ökosysteme gesund und lebendig zu erhalten.
Sie können wichtige Zutaten für eine Gesellschaft sein, in der Menschen sich selbst und einander als Teil eines Wunders erfahren können und ihre individuellen Qualitäten beitragen und auch mit ihren ebenso dazugehörigen sogenanten Schwächen und letztendlich mit ihrer ganzen Menschlichkeit einander willkommen heißen und ein Zuhause schenken können.
Was alles nicht zu unserer Form der Ritualarbeit gehört
Wir halten viele gerade in der Esoterik-Szene verbreitete Umgehensweisen mit dem menschlichen Bedürfnis nach Spiritualität für potentiell gefährlich, die wir in unserer Arbeit konsequent vermeiden:
- die Suche nach und das Akzeptieren von selbst ernannten spirituellen Führer*innen (die oft zu Manipulation, Missbrauch und (Selbst-)betrug führt)
- das Konsumieren von „spirituellen“ Produkten
- das Sammeln von spirituellen Erfahrungen als Ersatz für psychologische Entwicklungsprozesse (bekannt als „spiritual bypassing“), was wichtige Prozesse der Selbsterkenntnis und des Hinterfragens eigener Standpunkte verhindern kann
- das Ignorieren oder Verneinen gesellschafts-politischer Herausforderungen (wie Armut, Diskriminierung, Unterdrückung, Kolonialismus uvm.) auf Basis pseudo-spiritueller Konzepte – was zur aktiven oder passiven Verstärkung dieser Herausforderungen beiträgt
- das Ignorieren oder Beschönigen persönlicher Schicksalsschläge (wie Krankheit, Unfälle uvm.) auf Basis pseudo-spiritueller Konzepte, was Leidtragenden zusätzliches Leid zufügen kann.
- das Ignorieren oder Verneinen wissenschaftlicher Erkenntnisse, vor allem wenn daraus Gefahren für Gesundheit und Wohlergehen von Menschen und Mit-Welt entstehen könnten.
- das Überbewerten der Kraft spiritueller Handlungen und Rituale, so dass tatsächliches Handeln vermieden wird. Denn Beten allein verändert nur in uns selbst etwas (was nicht unwichtig ist) – die Welt zu verändern aber braucht unser aktives Tun.
Wertebasierte Ritualarbeit
Der Kern unseres Verständnisses von Spiritualität und unserer Ritualarbeit für regenerative Gesellschaftsgestaltung sind also Werte und eine klare Ausrichtung darauf, menschenfreundliches, lebensfreundliches Denken und Handeln zu fördern, das sich nicht gegen die Gesellschaft richtet oder jenseits von ihr vor sich hin existiert, sondern vielmehr für sie und mit ihr wirkt.