Warum die Welt nicht endet…

Der Februar ist die Zeit der Vorstellungskraft. Vor dem Hintergrund der noch kahlen, vom langen Winter erschöpften Landschaft voller Weiß und Grau leuchten die zartesten Grün- und Rottöne köstlich hervor. Die meisten Pflanzen verbergen ihre neu erwachende Lebenskraft noch geschützt vor der Kälte im Schoß der Erde oder unter den erst ganz allmählich anschwellenden Knospenschuppen an den ansonsten noch unscheinbaren dürren Trieben. Und die frühesten Frühlingsboten, die feingliedrigen Schneeglöckchen, verstecken sich ganz nah am Erdboden, zwischen zerfallendem braunen Laub.

Die Leere nimmt sich den meisten Raum in dieser Jahreszeit, wo das Alte vorbei ist und das Neue immer noch nicht angefangen hat. Dies ist von allen Monaten die Jahreszeit, wo die meisten Seelen unsere Welt wieder verlassen, nicht in eine neues Lebensjahr aufbrechen, sondern umziehen ins Land der Ahnen. Umso schmerzlicher erleben die die hier das irdische Leben weiterleben den Verlust der Geliebten, in dieser scheinbar so leeren, kalten Zeit.

Für uns, die hier bleiben, stellen sich Fragen: Was wird dieses neue Jahr bringen? Was wollen wir erschaffen? Wie wollen wir das Leben gestalten?

Der Februar lädt uns ein, zu lauschen, und im weiten leeren Raum zu spüren, zu sehen oder zu hören, was möglich ist. Die Visionen für das neue Jahr zeigen sich wie Träume, manchmal eindrucksvoll und klar, manchmal flüchtig und zart, und wollen gern berührt und festgehalten werden, denn wie Träume die nicht erzählt werden, verblassen sie schnell, besonders wenn im März das volle Leben im Außen wieder losgeht und der stille, leere Raum von Geschäftigkeit erfüllt wird.

Der Februar ist von allen Jahreszeiten die Zeit, wo wir Vision am leichtesten und deutlichsten empfangen können und unsere Vorstellungskraft für all das Gute was sein kann, wie einen Muskel am stärksten trainieren und wachsen lassen können.

Was ist dein Bild von einem guten Leben als Menschen auf der Erde? Wie hört es sich für dich an? Wie fühlst und empfindest du es? Was genau siehst du vor deinem inneren Auge, wenn alles was gut und heilsam wäre möglich sein könnte? 

Diese Bilder sind lebenswichtig, nicht nur für dich persönlich, sondern für die Menschheit als Ganzes.

Der US-amerikanische Mythenforscher Michael Meade schreibt über die Bedeutung der menschlichen Vorstellungskraft für unser Weiterleben als Spezies auf der Erde:

„Leben in unserer Zeit heute bedeutet, sich inmitten eines Mythos zu befinden. Wir stehen vor all den massiven Problemen und unmöglich zu lösenden Aufgaben, unter denen unsere moderne Welt gegenwärtig leidet. Es ist eine außergewöhnliche Zeit, in der sowohl die Natur als auch die Kultur alles an Heilung und schöpferischer Fürsorge gebrauchen können, derer wir als Menschen fähig sind. 
Immer stärker scheint es, dass uns die Zeit wegläuft, und dass was auch immer noch möglich ist, unverzüglich geschehen muss. Das Bedürfnis danach, dass sich jemand der drängenden Herausforderungen wahrhaftig annimmt, und eine große Dringlichkeit und Eile sind zu spüren, damit alles was noch zu tun bleibt, jetzt wirklich sofort getan wird. 
Die alten Mythen jedoch ermöglichen uns eine andere Sichtweise auf unsere Situation. Wenn die Zeit uns wegläuft und niemand mehr Zeit finden kann, dann ist es eben nicht einfach Zeit die fehlt, sondern der Kontakt mit der Ewigkeit. 
Wie alles andere auch, entspringt die Zeit in der Ewigkeit. Und wenn wir sie nicht mehr finden können, ist die Ewigkeit der richtige Ort, um nach ihr zu suchen. Das „Ende der Zeit“ führt uns zurück zu den Wurzeln der Ewigkeit, wo wir auch die niemals versiegende Quelle wahrhaftiger Inspiration, großartiger Ideen und bedeutsamer Visionen finden. 
Leben in unserer Zeit heute bedeutet, inmitten eines gewaltigen Auflösungsprozesses gefangen zu sein, in dem wir uns Seite an Seite mit vielen anderen losen Fäden der Schöpfung wiederfinden. Es bedeutet gleichzeitig auch, dass wir ganz nahe daran sind, eine neue Gestalt und eine erneuerte Art und Weise auf die Welt zu schauen zu erfahren.
Die alten Weisen sagen, dass die Höhle des Wissens in den Tiefen der menschlichen Seele gefunden werden kann, dass jede Seele durchwirkt mit inneren Qualitäten ist, deren Bestimmung es ist, in die Welt hineingewebt und ein Teil des Schöpfungsgewands zu werden. Sie sagen, dass die Gaben jeder Seele gerade im Wiederkehren der dunklen Zeiten wichtiger werden. 
So seltsam es erscheinen mag, bildet doch das Bewusstsein des einzelnen Menschen ein Zugewicht auf der Waage von Zeit und Ewigkeit. Die im eigenen Leben versteckten Bedeutungen auszuleben hilft, das Gewicht der Welt im Gleichgewicht zu halten. Jedes Leben ist dabei um einen unsichtbaren, ewigen Faden gewickelt, und jeder Lebensfaden ist eine bedeutsame Geschichte, die aus den Mauern der Zeit ausbrechen will, um der Schöpfung zu helfen. Die Seele ist letztendlich der Sitz der Vorstellungskraft, der Raum in dem unser uraltes Erbe der archetypischen Formen und der Ressourcen unserer Ahnen lebendig sind. 
Vorstellungskraft ist für uns ein essentielles Lebensorgan, und beständig denken wir uns die Welt neu und nehmen beständig teil in ihrer Erschaffung, ihrer Zerstörung und ihrer Erneuerung. 
Wenn es scheint, dass das Ende der Zeit naht, sind es die zeitlosen Dinge, die greifbar werden, und bereit dafür sind, die Welt Moment für Moment neu zu erschaffen. Hinter allem Aufruhr und aller Verwirrung dieser Welt, warten die Vorstellungskraft und der lebendige Geist des Ewigen in der Anderswelt darauf, wieder gefunden zu werden. „

aus Michael Meade, „Why the World Doesn’t End“

Der Februar schenkt die Leere, die es braucht, wieder in Verbindung mit unserer Vorstellungskraft zu kommen – damit das Leben weitergehen kann.
 
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