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Im Februar hatte ich einen Artikel veröffentlicht über die drei Phasen von Initiation: Trennung, Qualen und Heimkehr, und wie die beiden erstgenannten, sich in immer stärker werdender Heftigkeit vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte für die Menschheit als Ganzes ausspielen.

Dank des Coronavirus‘ sind nun innerhalb kürzester Zeit viele der bisher als unverrückbar angenommenen Lebensumstände gerade auf eine Weise aus den Angeln gehoben, die vor Kurzem kaum vorstellbar gewesen wären.

Und weltweit ist das was gerade am hilfreichsten zu sein scheint, eine noch weitreichendere Trennung. So wie eine Raupe sich im Kokon einspinnt um sich vollständig aufzulösen – damit in Enge und Dunkelheit aus nur noch grünem Schleim danach ein Schmetterling entstehen kann.

Es sieht fast so aus, als würden wir nun kollektiv auf Visionssuche geschickt werden – allein oder nur mit unseren Nächsten sind wir auf uns selbst geworfen: Konsum, berufliche Pflichten oder Freizeitleben sind für viele Menschen gerade einfach ausgesetzt und runtergefahren auf was auch immer direkt bei ihnen zuhause möglich (oder nicht möglich) ist.

Manche von uns mögen das als angenehme und vielleicht schon lang ersehnte Pause erleben, als eine Gelegenheit aus einer Tretmühle auszusteigen.
Für andere mag es qualvoll sein, so viel Zeit zuhause zu verbringen – vor allem für all diejenigen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen, deren Zuhause kein liebevoller, kein sicherer Ort ist.

Mein Mitgefühl gilt auch den vielen älteren Menschen, deren Hauptlebensinhalt ihre Liebe zu den Jüngsten ist, die Freude am Heranwachsen von Kindern und Enkelkindern – mit denen sie vielleicht für viele Monate nun zu ihrem eigenen Schutz keinen direkten Kontakt mehr haben sollten. Und den Kindern, die nun noch mehr als sonst von ihren Ältesten getrennt sind.

Wir haben viele viele Stunden in den letzten zwei Wochen damit verbracht, Nachrichten, Zweifel, Aufrufe, Warnungen und Entwarnungen aller Arten zu verfolgen.

Für mich ist es dabei hilfreich und tröstlich, auch diese Krise als einen Teil des sich immer weiter intensivierenden Initiationsprozesses der Menschheit anzusehen. Vielleicht ist COVID-19 trotz der offensichtlichen Schwere der Krankheit nichts, was uns wirklich an den Abgrund der menschlichen Existenz bringen könnte.

Aber es macht vieles deutlich:

  • wie verletzlich die von uns geschaffenen politischen und gesellschaftlichen Systeme sind, und wie sehr wir als Gesellschaft darauf angewiesen sind, dass alle mitmachen
  • wie sehr wir als Menschheit auch wirklich weltweit miteinander verbunden sind
  • wie viel Angst wir vor dem Sterben haben – vor unserem eigenen aber vielleicht mehr noch vor dem unserer Liebsten
  • wie überfordert wir alle mit der Komplexität des modernen Lebens sind und wie schwer es sein kann, Desinformation und Verschwörungsmythen als solche zu erkennen
  • wie sehr wir einander brauchen, und wie schmerzlich es ist, nicht freizügig in Kontakt sein zu können
  • dass wir trotz aller Kontrolle, die wir über den Rest der Natur ausgeübt haben und weiterhin ausüben, eben nicht die „Herscher der Schöpfung“ sind
  • dass wenn wir erschrocken sind im Angesicht der Bodenlosigkeit der Existenz (welche beispielsweise im Buddhismus so liebevoll erforscht und befreundet wird), wir beharrlich nach Verantwortlichen, nach Schuldigen, nach irgendeiner Art von Bösem suchen, gegen das wir ankämpfen könnten – viel lieber als einem kollektiven Unwissen und einer umfassenden Machtlosigkeit der Menschheit als Ganzem ins Auge zu sehen
  • wie leicht Unfähigkeit, die eigenen Ängste auszuhalten, dazu führen kann, dass wir uns in Meinungen verrennen und in Streit und Vorwürfen gegen Freunde und Bekannte wenden
  • wie tröstlich es ist, Rückversicherung für unsere eigenen Denkmodelle zu erfahren
  • wie sehr es uns individuell und kollektiv nach Sinn verlangt
  • und wie stark die überwiegende Mehrheit der Menschen dazu bereit ist, zu tun was auch immer gebraucht ist, um die Schwächsten zu schützen

Aus den Märchen ist uns das archetypische Muster vertraut:

Der Abstieg in eine furchteinflößende Unterwelt voller Prüfungen und der Begegnung mit schrecklichen Monstern (äußeren und inneren) und den noch schrecklicheren Ängsten vor ihnen, ist scheinbar notwendig im Leben.

Denn kein Mensch findet die tiefsten Seelenschätze, seine Bestimmung und seinen innersten Wesenskern zuhause auf der Couch – oder heute vielleicht ja doch


, wenn das „auf der Couch sitzen“ nicht so ganz freiwillig geschieht?

Nur durch das Durchleben von gefährlich anmutenden Umständen, die uns fühlbar mit unserer eigenen Sterblichkeit konfrontieren, kann ein Menschlein reich beschenkt, erwachsen und mit gereifter Persönlichkeit „heimkehren“ – um dann als König oder Königin das eigene Land mit Güte und Weisheit zu führen.

Damit aus der Raupe ein Schmetterling werden kann, muss ihr Körper sich im dunklen, engen Kokon erst einmal vollständig auflösen – und sich vollkommen neu zusammenfinden.

Diese Auflösung scheint gerade in volle Fahrt zu kommen.

Zu jeder Initiation gehören Qualen, Seelenqualen und manchmal auch äußeres Leiden – wenn ich mich selbst fast auflöse, vom Leben “zerbröselt” und gut “durchgekocht” werde.
Michael Meade nennt diese Phase auch „die lange dunkle Nacht der Seele“.

Sie fühlt sich schrecklich an, es ist sogar schwer, sie von außen bei jemand anderem zu beobachten, und doch ist sie so grundlegend wichtig dafür, zu innerer Reife zu gelangen.

Durch das Leiden fallen alle Masken weg, denn wir haben keine Kraft mehr, sie aufrecht zu erhalten. Auch unsere falschen Identitäten wird das Leben aufbrechen – zum Beispiel die hochmütige Vorstellung, das nichts uns als Menschheit gefährlich werden könne.

Durch das Vom-Leben-aufgebrochen-Werden der narzisstischen Ego-Strukturen unserer globalen Gesellschaft, könnte ein gereiftes Selbst zum Vorschein kommen, eine ganzheitlichere Identität.

Wir könnten dank der rauen Gnade des Lebens am Ende dieser Zeit voller Krisen und Leid herausfinden, uns dessen gewahr werden, wer wir als Menschheit auf der Erde wirklich sind.

Licht in der Finsternis

Was es braucht, um die lange, dunkle Nacht der Seele zu durchstehen, ist vor allem ein wachsendes Bewusstsein.
Tiefe Innenschau mit wachen Sinnen ermöglicht es, dem Selbst auf den Grund zu tauchen, hinab ins Dunkle all dessen, was ich an mir noch nie mochte, wovor ich schon immer Angst hatte, wo ich elendig gescheitert bin, wo ich mit der Welt und dem Leben hadere, wo ich mich klein und schwach und vollkommen unzureichend und hilflos fühle.

Am Boden des tiefen, dunklen Seelengewässers wartet ein hell leuchtender Schatz darauf, dann gehoben zu werden, wenn ich schon fast aufgegeben habe.

In der langen, dunklen Nacht der Menschheit geht es darum, uns selbst zu begegnen, in furchteinflößender Tiefe. Und das tun wir.

Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit hatten wir so viel Einblick darin, was wir als Menschheit weltweit erleben, erschaffen oder zerstören. Das Internet trägt Informationen aus jedem Winkel der Erde herbei und macht sie weithin sichtbar. Mit den Informationen über die Brände in Australien oder einen möglichen Krieg zwischen den USA und dem Iran reisen auch Gefühle um die Erde: Angst, Zorn, Hilflosigkeit und Ohnmacht werden von Millionen von Menschen geteilt und durchlebt.

Natürlich nehmen nicht alle Menschen Anteil. Aber es ist eine große und wachsende Anzahl von Menschen, die hinschaut.

Es schmerzt so schrecklich, zu wissen und zu fühlen, wie viel von unserem geliebten Planeten, von unserem Zuhause, von unserer Mutter Erde zusammenbricht, wie viele Menschen und andere Wesen leiden. Die Angst zu ertragen, dass die Kinder von heute vielleicht die letzte Generation von Menschen sein könnten, die das Erwachsenenalter überhaupt noch erreichen, wie es der Dalai Lama 2018 in seinem Appell an die Welt so direkt und ungeschönt aussprach.

Wenn wir davon ausgehen, dass die Menschheit sich entwickelt, dann brauchen wir genau das, was viele von uns jetzt gerade durchleiden, um gemeinsam erwachsen zu werden: das Erleben von Scheitern, von Hoffnungslosigkeit, Aussichtslosigkeit, von unsäglicher Trauer, von Desillusionierung, bis hin zum Aufgeben und einer gefühlten Begegnung mit dem Sterben, mit dem Tod.

In einer Initiationskrise sind dies wichtige Bestandteile, die dazu führen, inmitten der Finsternis, in voller Demut, ein wahrhaftiges Selbst zu entdecken, das unabhängig ist von Rollen, Masken, Erwartungen, Erfolgen im Äußeren, vom Plan meines Egos, von Kontrolle und Zwang, von oberflächlichen Vergnügungen und äußerer Sicherheit.

Es ist dies die Zeit, in der wir als Menschheit inmitten der Trümmerlandschaft um uns und in uns, unser innerstes Selbst entdecken können, das zutiefst verbunden ist mit der Seele der Welt.

Vieles von diesem Selbst kennen wir schon, weil es ähnlich wie der Wesenskern eines Menschen nie ganz verschwunden war. Dazu gehört unsere Kraft zu lieben, mitzufühlen, füreinander zu sorgen, füreinander einzustehen, gemeinsam in Einigkeit Lösungen zu finden, eine Gesellschaft zu gestalten, welche die Vielfalt und Fülle unserer nicht-menschlichen Mitwesen mehrt und nährt, Kultur zu schaffen, die Menschen von klein auf bis ins hohe Alter ermöglicht, ihre Potentiale zu entfalten und zu schenken.

Jede/r von uns ist ein Teil der Menschheit, des menschlichen Bewusstseins. Margaret Wheatley erforscht und unterstützt seit fast dreißig Jahren systemischen Wandel in vielen Ländern der Erde (beispielsweise über das von ihr gegründete Berkana Institut) und beschreibt eindringlich, was es braucht, um mit heftigem Wandel auf eine lebensfördernde Weise umzugehen: einen Geisteszustand jenseits von Hoffnung und Furcht.

Mir geht es so wie vielen Menschen in meinem Umfeld, dass ich inmitten der rasanten Schreckensmeldungen über den Zustand der Welt UND der hoffnungsfrohen Botschaften über Lösungen, die auftauchen wie Pilze nach einem Sommerregen, oft regelrecht hin- und hergeschüttelt werde – zwischen aufkeimender Hoffnung und tiefer Furcht vor dem Scheitern.

Der Ausweg aus dieser Achterbahn, den Meg Wheatley beschreibt, ist es, statt eine rosige Zukunft zu wünschen oder vor einer schlimmen Zukunft zu erzittern, wie in der Meditation oder in Achtsamkeitsübungen, so voll und ganz ich es vermag, in der Gegenwart und im Jetzt zu bleiben.

Es braucht dafür die Bereitschaft, mit unserer eigenen Unsicherheit, unsrem Nicht-Wissen, und letztlich der Bodenlosigkeit des Seins vertraut zu werden, sie auszuhalten, zu lernen, uns in ihnen zuhause zu fühlen.

Leben war schon immer Veränderung, doch heute zerfallen Systeme, Ideen und Beziehungen immer schneller. Das meiste, was vor Jahren noch eine Illusion von Sicherheit spenden konnte, rinnt rasend schnell wie Sand durch unsere Finger, sodass es immer notwendiger wird, diesen Auflösungszustand ertragen zu lernen – indem wir präsent mit ihm bleiben.

Natürlich ist es schmerzhaft, präsent zu bleiben. Doch alle Vermeidungsstrategien schmerzen ebenso.

Zwischen Erfolg und Scheitern ist ein Raum

Wenn ich weiß, was ich für die Zukunft will, und an bestimmten Lösungsstrategien festhalte, bin ich viel eher geneigt, Opfer meines Wollens zu werden. Wenn ich mich im Recht glaube, handele ich oft blindlings, und schade dabei mir selbst oder anderen. Ich streite und ignoriere bewusst oder unbewusst andere Stimmen und Bedürfnisse – weil ich so identifiziert bin mit meiner Ideologie.

Wenn ich voller Furcht bin, rechtfertige ich mit dieser unter Umständen auch die schlimmsten Sorten von „Schutzmaßnahmen“, mit denen ich mich verteidige oder sogar selbst angreife – weil ich keinen anderen Ausweg sehe. Beide Zustände sind nicht nur im Moment rücksichtslos, sondern langfristig ein Nährboden für Manipulation, Verblendung, Volksverhetzung und für ein weiträumiges Beschreiten von persönlichen oder gesellschaftlichen Irrwegen.

Wenn ich jedoch präsent bin, im Zustand jenseits des Wollens und Fürchtens, kann mein innerer Kampf zur Ruhe kommen und ich habe Zugang zu all dem, wovon ich in der Tiefe meines Selbst weiß, dass es jetzt in diesem Moment gerade stimmig und hilfreich ist, im Einklang mit allen meinen Werten.

Dies zu erleben und zu erlernen ist eine der Gaben von Initiationskrisen.

In den Initiationsgeschichten von unserer Lehrerin Sobonfu Somé, die zum Volk der Dagara in Westafrika gehörte, war es für die jungen Menschen und für das gesamte Dorf keine Selbstverständlichkeit, dass deren fordernder und gefährlicher Initiationsprozess von allen Teilnehmenden überlebt wird.

So kann, sogar darf es auch keine Selbstverständlichkeit sein, dass der Initiationsprozess der Menschheit von uns überlebt wird. Im Nicht-Wissen, ob alles gut ausgehen wird, sind wir darauf geworfen, in jedem Moment das zu tun, was das Richtige ist, uns so zu verhalten, als ob dieser Moment alles ist, was uns bleibt.

„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.

Vaclav Havel

Meg Wheatley schreibt, dass sie im Raum jenseits des Strebens nach Erfolg oder der Angst vorm Scheitern lernen konnte, wie es sich anfühlt, sich stimmig zu verhalten: auf unergründliche Weise klar und getragen von Energie. Wenn sie sich wütend, frustriert oder zornig fühle, habe sie gelernt, sich nicht davon bestimmen zu lassen, sondern innezuhalten, nicht zu handeln, bevor sie wieder präsent im Moment ist, und dabei immer wieder erfahren:

„Es ist nicht das Ergebnis, was zählt. Es sind die Menschen, unsere Beziehungen, die unseren Anstrengungen einen Sinn geben. Wenn wir uns von dem Drang befreien, mit unseren Bemühungen erfolgreich zu sein, können wir erleben, wie es leichter wird zu lieben.

Wir hören auf, Sündenböcke zu suchen, wir hören auf, anderen die Schuld zu geben, und wir hören auf, voneinander so enttäuscht zu sein.

Wir erkennen, dass wir wahrhaftig alle gemeinsam in einem Boot sind, und das ist alles, was zählt.“

Natur-freundschaft

Bäume umarmen und andere Ausdrucksformen von Natur-Freundschaft sind zum Glück noch vollkommen risikofrei! Und da keine Ausgangssperre das allein draußen in Garten, Wald und Wiesen sein verbietet, haben wir die wunderbare Gelegenheit, mehr Zeit mit unseren nicht-menschlichen Verwandten zu verbringen…

Ich bin als Stadtkind aufgewachsen, glücklicherweise mit gerade genug Naturkontakt um erahnen zu können, was ich alles verpasse – und um es später „jetzt aber richtig“ nachzuholen.

Als Erwachsene konnte ich tagelang draußen sein, eintauchen, am Feuer selbst Gesammeltes kochen, mit neuen Sinnen wahrnehmen, Natur aufmerksamer begegnen, und durch den innigen Kontakt mit ihren Wesen und Elementen mich selbst mehr fühlen.

Wir Menschen brauchen Natur um uns herum – nicht nur für Nahrung, Wasser und die Luft zum Atmen.

Gerade jetzt, wo unser gesamtes Leben sich rasant immer mehr „virtualisiert“, brauchen wir Verbindung zum echten Da-Sein, auf eine körperlich fühlbare Weise – damit wir uns lebendig, gesund und als wir selbst fühlen können.

Lange intensive Ausflüge zu Wäldern, Bergen und Meer sind eine Möglichkeit dafür. Den größten Teil unseres Lebens verbringen wir jedoch im Alltag.

Wie können wir unsere Sinne für die Natur öffnen, der wir sowieso begegnen – weil wir unser Zuhause mit ihr teilen?

Egal ob wir in der Stadt oder auf dem Land leben – oft ignorieren wir die grüne Welt vor unserer Nase. Wir bewegen wir uns an ihr vorbei wie durch eine Menschenmenge in der U-Bahn: Wir vermeiden jeden Blick, fassen niemanden an und gehen in keinerlei Kontakt.

So kommen wir mit Menschen nicht in Verbindung und mit der Natur eben auch nicht, denn wo ich nur hindurch eile, bleibe ich ein Fremder. Dabei ist die nicht-menschliche Welt voller Persönlichkeiten!

Hier findest du 14 Lieblings-Methoden für Naturverbindung sogar mitten in der Stadt (und auf dem Land übrigens auch):

1. Augen auf

Volle Aufmerksamkeit voraus. Wirklich hinschauen. So wie ich meine zukünftige Chefin beim Vorstellungsgespräch anschauen würde, oder das Blind Date was ich zum ersten Mal treffe. Wir Menschen sind visuelle Wesen, mit „Sichtsucht“ wie der Höhlenforscher Stephan Kempe es nennt, und unser Blick lenkt unsere Aufmerksamkeit. Je länger und intensiver ich schaue, desto mehr Gewicht hat eine Interaktion für mich selbst.

2. Berührung

Wir berühren mit unseren Händen nur Menschen, mit denen wir auch was zu tun haben wollen. Indem ich bewusst mit meinen Händen eine Pflanze berühre, um sie zu spüren, zu ertasten, ihr eine Geste der Zärtlichkeit und Freundschaft zu schenken, verändert sich meine innere Haltung ihr gegenüber. Ein Gefühl von zurück-berührt-werden kann sich einstellen, das mich selbst nährt. Die Steigerung: Pflanzen, Bäumen oder Steinen mit meinem Kopf ganz nahe kommen, mich von ihnen an Wange oder Stirn berühren lassen. Auch sie umarmen oder mich auf den Sand, die Wiese oder den Waldboden hinlegen erfordern erst und stärken dann mein Vertrauen und Verbundenheitsgefühl.

3. Zwiegespräche

Von Herzen teilen und wirklich zuhören geht auch mit nicht-menschlichen Wesen. In Stille denkend oder auch laut ausgesprochen kann ich mitteilen, was mich bewegt – einem Baum, einem Fluss, der untergehenden Sonne.

Und ich kann Fragen stellen und zuhören. Charles Eisenstein hat die Frage, die wir unseren Mit-Wesen aller Sorten (auch Steinen, oder schon toten Lebewesen) immer wieder stellen können, so formuliert: „Wie ist es, du zu sein?

Lassen wir stillen Raum danach, können überraschende Eindrücke auftauchen: Emotionen, Gedanken in Worten ausformuliert, Körpergefühle, Ahnungen. Andreas Weber sagt:„Unser Körper, den wir mit allen anderen Wesen teilen, ist ein universelles Übersetzungsinstrument für die Regungen des Lebens, für seine Schmerzen, für sein Glück.“

4. Gemeinsame Erlebnisse

Menschen mit denen ich etwas erlebt habe, fühle ich mich mehr verbunden. So ist es auch mit Plätzen in der Natur und ihren BewohnerInnen. Ich kann sie besuchen, wenn in meinem Leben etwas besonders los ist, und allein oder mit meinen liebsten Menschen, Zeit dort verbringen – für ein lang ersehntes Treffen mit alten FreundInnen, für ein schwieriges Gespräch, für das Feiern von etwas Wertvollem, für das Suchen nach Antworten in mir selbst und nach Entscheidungen für meinen Weg, für ein paar gemütlichen Stunden bei einem Picknick, beim Lesen oder für Spiele mit meinen Kindern.

5. Konkret sein

Beziehungen knüpft man immer nur mit einem einzigen Menschen auf einmal. Ich kann mich nicht mit einer ganzen Menschenmenge verbinden. So ist es in der Natur auch: Es macht Sinn mit einem bestimmten Baum zu beginnen, mit den ganz konkreten Vögeln auf meinem Balkon, mit einer bestimmte Pflanzenart, einem Felsen oder einem Bach – durch die ganz persönliche Zuwendung können aus „Dingen“ oder „Bekannten“ auch in kurzer Zeit Vertraute und dann Freunde werden.

Dabei kann ich meinen Blickwinkel variieren: von der einen Löwenzahnpflanze neben der Bushaltestelle, über die Amseln als eine Vogelart, den gesamten Park um die Ecke als einen Ort oder sogar die ganze große „Mutter Erde“ – kann ich alle jeweils als ein Gegenüber ansehen, mit dem ich in Kontakt gehe.

6. Worte finden

Namen geben stärkt die Verbindung: Wortschöpfungen wie die „stille Wiese “, das „Samtkräutlein“, „Emma die dicke Weide“ erleichtern es mir, auch über die kognitive Ebene hinaus im Kontakt zu sein. Denn in diesen selbst erfunden Begriffen stecken Aspekte der Beziehung schon drin – sie sind einfach viel persönlicher als die landläufigen Bezeichnungen.

7. Danken und Geschenke machen

Für viele Kulturen der Erde hat es sich bewährt, der Natur ebenso wie Menschen zu danken und etwas (zurück) zu schenken. Egal ob ich symbolisch kleine Häppchen von meinem Essen mit Grüßen und Dank rausbringe, oder ob ich bewusst die Vögel füttere oder Stauden für die Insekten pflanze – indem ich danke und etwas schenke, stärke ich die Beziehung, kann Gegenseitigkeit erfahren indem ich mich selbst im Kleinen als aktiv fürsorgend und wohltuend für die Natur verhalte, von der ich so viel Positives empfange.

8. Zuhause oder auf Reisen

Klar kann ich innigere Beziehungen knüpfen zu Bäumen die ich mein Leben lang jeden Tag besuche. Und ich kann – wie auf Reisen gegenüber Menschen die ich vielleicht nur ein einziges Mal treffe – auch in seltenen Begegnungen ganz und gar präsent und herzoffen sein und in Verbindung gehen.

9. Jeden Tag was Neues entdecken

Egal wie viel Natur ich im Alltag um mich herum habe – immer lässt sich etwas Neues entdecken. Indem ich meinen Blick neugierig streifen lassen und lausche, wird der Umfang dessen, was ich über die Sinne wahrnehmen kann, mit der Zeit immer größer. Was habe ich auf dem Weg zur Arbeit noch nicht entdeckt bisher? Was hat sich verändert? Oft habe ich freudige Überraschungen erlebt, wenn ich an schon längst bekannten Plätzen Sachen entdeckt habe, die ganz klar schon immer dort waren – und ich doch erst mit der Zeit in der Lage war, sie überhaupt zu sehen.

10. Auf die Geräusche von draußen hören

An manchen Tagen ist es schwer, überhaupt Draußen-Zeit zu haben. Gerade an solchen Tagen und während viel zu langer Stunden in Häusern ist es für mich ein lebensrettender Anker, auf die leisen Geräusche von draußen zu hören: Vogelstimmen, Wind, Regentropfen, Hundegebell, oder auch die Stille im Raum zwischen den Geräuschen von Stadt und Straßen erinnern mich an das Lebensnetz, dessen Teil ich bin.

11. Die Elemente fühlen

Während ich irgendwohin laufe, kann ich bewusst fühlen, wie Sonnenwärme, Wind, Regentropfen oder feuchte Luft meine Haut berühren. Ich kann die Handschuhe ausziehen oder durch die Schuhsohlen die Kühle des Bodens spüren. Vor allem wenn ich die Schuhe ausziehe oder mit den Händen den Boden berühre, verändert sich nicht nur meine körperliche Verfassung messbar (vor allem wenn ich dies regelmäßig über längere Zeiträume tue), sondern es hilft mir jedes Mal, voll und ganz im Moment anzukommen.

12. Etwas direkt draußen naschen

Es ist ein archaisches Gefühl, die Frühlingsblätter einer Birke oder Buche oder die saftigen Hagebutten vom Hundsrosen-Strauch zu pflücken und in den Mund zu stecken. Schon so manches Schulkind habe ich verkünden gehört, dass es „alleine draußen überleben“ könne, weil es ja wisse, was man alles essen kann. So ein Grundvertrauen entsteht, und damit verbunden eine tiefe Dankbarkeit für die Gaben die Natur, die selbst in der Stadt oft überraschend reichhaltig sind.

13. Etwas mit nach Hause nehmen

Kinder tun es die ganze Zeit: Stöcker, Steine, Pflanzenteile – alles nehmen sie gerne mit. Ich frage dabei gern um Erlaubnis oder Einverständnis (siehe Punkt 3) und lasse im Austausch gern etwas dort (siehe Punkt 7), und habe dann in der Stube oder in der Hosentasche ein Erinnerungsstückchen, das mir hilft, mich auch von Ferne mit meinen vertrauten Plätze und Wesen verbunden zu fühlen.

14. Sonnenauf- und Untergänge

Noch nicht so lange (und nicht an allen Orten der Erde) haben wir als Menschheit elektrisches Licht, beleuchtete Straßen und Fahrzeuge die sich selbst den Weg erhellen. Tief in unsere Psyche ist die Bedeutsamkeit von Sonnenauf- und untergang für uns als Spezies lebendig so wie sie es Millionen von Jahren lang war.

Das rötliche Licht lässt alle Farben besonders erscheinen, und der ganz nah überm Horizont stehende glühende Sonnenball schafft es sogar auf Autobahnraststätten, dass viele Köpfe sich nach ihm umdrehen.

Für mich sind beide Momente Gelegenheiten, meine Verbindung zur Erdkugel zu spüren, als deren Teil ich durchs unendlich große Weltall kreise, und darauf, wie alle Energie um mich herum und auch in meinem Körper letztendlich von der Kraft der Sonne geschenkt wird.

Ich erinnere mich daran, wie wenig selbstverständlich es ist, einen weiteren Tag erleben zu können, vielleicht sogar zusammen mit meinen Liebsten. So kann ich mich mit allen anderen Wesen gleichzeitig verbunden fühlen – weil sich in uns allen etwas danach sehnt, zu leben. Und ich kann ganz leicht zutiefst dankbar sein.

Es sind die kleinen Momente

Egal wie wenig Zugang ich zur Natur habe – wenn ich ihr meine volle Aufmerksamkeit schenke, werde ich die Verbindung spüren können.

Für Partnerschaften und andere enge Beziehungen gilt: Es sind die kleinen alltäglichen Interaktionen, die den Unterschied machen – und so ist es auch in unserer Verbindung zur Natur.

So glücklich ich bin ein paarmal im Jahr so richtig ein- und abzutauchen – für ein Gefühl von intensiver und tragfähiger Verbindung ist der Alltag viel wichtiger.

Glücklicherweise gibt es, selbst wenn ich mitten in der Großstadt bin, den Himmel mit seiner Wolkenwelt, den Wind der zwischen den Häusern streicht, Tauben und Spatzen, die von Greifvögeln wie Sperbern oder Turmfalken gejagt werden, und viele andere Wesen mehr – wenn ich erst einmal aufmerksam hinschaue.

Es tut mir gut, und dadurch haben auch meine nächsten Menschen etwas davon.

Und es tut der Natur gut – denn wie sonst, könnten wir wieder Verbündete und Hegende für sie werden?

 

Willst du noch intensiver Freundschaft mit der Natur schließen? Hier findest du unser Online-für-Zuhause-Programm rund um Naturverbindung…

Möchtest du lernen, wie du andere Menschen einen Zugang zu mehr Naturverbindung ermöglichen kannst? Dann könnte dir unsere Naturverbindungs-Weiterbildung vielleicht gefallen. 

Hilfreiche Ein- und Aussichten für Zuversicht in schlimmen Zeiten

Lesezeit ca. 8 min

Schon seit Monaten (an vielen Orten bereits seit Jahren) fordert das Feuer nachdrücklich unsere Aufmerksamkeit, weil es menschliches Leben bedroht und ganze Ökosysteme auslöscht, mit verheerenden Folgen für das weltweite ökologische Gleichgewicht. Wie sollen wir angesichts solch gewaltiger Zerstörung trotzdem  Zuversicht bewahren?

1. Der Ruf des Feuers

„Feuer“ ist ein Wort, das Not und Dringlichkeit verströmt wie kein anderes. So soll man nicht „Hilfe“ rufen, wenn man auf gefüllten Plätzen angegriffen wird, sondern „Feuer“ schreien – weil Menschen unverzüglich und mutig darauf reagieren.

Auch mit den Waldbränden geht ein Aufschrei um die Erde – die schrecklichen Bilder vom Flammenmeer, vom rot glühenden Himmel und den unvorstellbar gewaltigen Aschewolken rütteln am letzten bisschen Ignoranz und Trägheit und drängen uns aufzuwachen und mehr in die Verantwortung zu gehen für das Fortbestehen des Lebens.

Feuer verkörpert mit seiner radikalen Wandlungskraft das Prinzip von Initiationen – tiefen Daseins-Krisen, in Übergangszeiten des Lebens, wo ich mich in meinem Mensch-Sein tiefgreifend wandele.

Für mich ist es eine Quelle der Zuversicht, auf die Zeit, in der wir leben als eine Art Initiationszeit zu schauen, für die Menschheit im Gesamten, in der wir einen radikalen Wandel vollziehen müssen, weil kein anderer Ausweg übrig bleibt.

2. Initiationszeit – Die Lebensphase der Menschheit als Ganzes?

Schauen wir das Lebensrad, die Entwicklungsphasen im Laufe eines Menschenlebens (unter anderem beschrieben von Bill Plotkin) für die gesamte Menschheit an, können wir viele Parallelen sehen:

In unserer frühesten Lebensphase lebten wir wie „Unschuldige in ihrem Nest“ noch ganz eng eingekuschelt in den Schoß der Mutter Erde und mit innigem Kontakt zu unserer natürlichen Familie in unserem Lebensraum, mit den Tieren und Pflanzen und den Elementen.

Wie heranwachsende Kinder als “EntdeckerInnen im Garten” wurden wir nach und nach unabhängiger, lernten Dinge selbst zu erzeugen, die uns vorher nur geschenkt werden konnten, wir lernten Feuer zu machen, Pflanzen gezielt anzubauen, und voller Entdeckerfreude probierten wir unsere immer neuen Fertigkeiten, Kompetenzen und unser wachsendes Wissen aus, und schenkten der natürlichen Welt um uns und den Menschen in unseren engeren Bezugssystemen unsere volle Aufmerksamkeit, voller Zuversicht.

Wie bei Jugendlichen begann unsere Aufmerksamkeit irgendwann sich vorwiegend um uns selbst zu kreisen, um die Gesellschaft unserer „Peers“, der anderen Menschen, um unsere Identität so wie wir sie haben wollen, in Abgrenzung zu unseren Mitwesen.

Bill Plotkin nennt Menschen in dieser Lebensphase “SchauspielerInnen in der Oase“, und wie Jugendliche dies oft tun, setzten auch wir als Menschheit uns immer neue Masken auf, versuchten mit allen Mitteln, unsere äußere Schönheit zu optimieren, Erfolge zu sammeln, die dem Ego schmeicheln.

Währenddessen labten wir uns maßlos an den Früchten der Erde, und nutzten sie für unsere Zwecke aus bis zur Erschöpfung – mit wenig Lust zum Aufräumen und noch weniger Motivation, die Lebensgrundlagen zu hegen.

Die Konsequenzen unseres Handelns blendeten wir aus, und der überströmende Mut spornte uns zu immer kühneren Höchstleistungen an, über die wir wetteiferten und uns gegenseitig zu mehr anstachelten.

Während laut Plotkin kleine Kinder ein klares Ich-Gefühl hätten, verbunden mit einem intuitiven Wissen darum, wer sie sind, würden in der Jugend viele Menschen keinen Zugang mehr dazu haben, wer sie wirklich sind, und wofür sie hier sind. Je erfolgreicher ein Mensch in dieser Zeit ist, desto länger kann diese Phase sich ausdehnen.

Doch irgendwann kommt ein tiefgreifender Wandel. Manchmal nähert er sich dem jugendlichen Menschen schleichend, und zeigt sich durch Überdruss und inneren Rückzug aus der kurz vorher noch so bedeutsamen Außenwelt.

Manchmal zeigt er sich als drängende Sehnsucht, zu anderen Ländern, anderen Kulturen, neuen Weltbildern oder spirituellen Erfahrungen aufzubrechen.

Oder der Bruch kommt in Gestalt einer großen, scheinbar von außen über uns hereinbrechenden Krise, beispielsweise einer schlimmen Krankheit, einem Unfall oder durch den Verlust eines geliebten Menschen durch Tod oder Trennung.

Das innere Erleben in der Lebensphase nach der Pubertät ist oft schmerzhaft – ich fühle mich abgeschnitten von den früheren Freuden, von der Person, die ich vor Kurzem noch war, von dem, woran ich geglaubt habe, was mir wichtig war. Allein bin ich, irgendwo irgendwie unterwegs, als “Umherstreifende in ihrem Kokon”.

Als Menschheit erleben wir gerade eine Trennung von vielem: Von unendlich vielen Mit-Wesen, die wir fast ausgelöscht oder stark dezimiert haben, von der Illusion von Sicherheit und Souveränität oder sogar Kontrolle über die Ökosysteme der Erde, von dem Wahnwitz der Ideologie eines unbegrenzten Wirtschaftswachstums und gerade hier im Westen auch vielfach von der komfortablen Idee, immer bestens versorgt und abgesichert zu sein und nicht teilen zu brauchen.

Verstärkt durch die sozialen Medien erleben wir eine schmerzhafte, erbitterte und tiefgehende Spaltung der Bevölkerung, angefeuert durch sich rasant verbreitende Desinformation und Verschwörungsideologien zu Themen wie Impfpflicht, Immigration, der Klimakatastrophe und vielem mehr.

Zu jeder Initiation gehören Qualen, Seelenqualen und manchmal auch äußeres Leiden – wenn ich mich selbst fast auflöse, vom Leben „zerbröselt“ und gut „durchgekocht“ werde.

Plotkin nennt diese Phase auch „die lange dunkle Nacht der Seele“. Sie fühlt sich schrecklich an, es ist sogar schwer, sie von außen bei jemand anderem zu beobachten, und doch ist sie so grundlegend wichtig dafür, als Menschenwesen zu innerer Reife zu gelangen.

Durch das Leiden und das Wegfallen aller Masken und falschen Identitäten, durch das Vom-Leben-aufgebrochen-Werden der narzisstischen Ego-Strukturen kann ein gereiftes Selbst zum Vorschein kommen, eine ganzheitlichere Identität, als dies in der Jugendzeit möglich war.

Vor der ersten großen Initiation (von denen wir im Leben auch viele ganz kleine durchleben), sind wir nicht voll und ganz erwachsen. Erst durch die raue Gnade der Initiation können wir so bei uns selbst ankommen, dass wir wieder voll und ganz spüren können, wer wir sind und wofür wir hier sind.

Erst wenn wir aus dem transformierenden Feuer der Initiationszeit heraustreten und von der Gemeinschaft willkommen geheißen werden, können wir all das in der Jugendzeit angesammelte Wissen, all unsere Kompetenzen, die wir erworben und trainiert haben, auf eine neue Weise nutzen, die viel stärker verbunden ist mit den Bedürfnissen anderer und die wirklich der Gemeinschaft allen Lebens dient. Erst nach der Initiationskrise sind wir wirklich erwachsen.

3. Bewusstsein – das Licht im Dunkeln für ZuverSicht

Was es braucht, um die lange, dunkle Nacht der Seele zu durchstehen, ist vor allem ein wachsendes Bewusstsein. Tiefe Innenschau mit wachen Sinnen ermöglicht es, dem Selbst auf den Grund zu tauchen, hinab ins Dunkle all dessen, was ich an mir noch nie mochte, wovor ich schon immer Angst hatte, wo ich elendig gescheitert bin, wo ich mit der Welt und dem Leben hadere, wo ich mich klein und schwach und vollkommen unzureichend und hilflos fühle.

Am Boden des tiefen, dunklen Seelengewässers wartet ein hell leuchtender Schatz darauf, dann gehoben zu werden, wenn ich schon fast aufgegeben habe.

In der langen, dunklen Nacht der Menschheit geht es darum, uns selbst zu begegnen, in furchteinflößender Tiefe. Und das tun wir.

Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit hatten wir so viel Einblick darin, was wir als Menschheit weltweit erleben, erschaffen oder zerstören. Das Internet trägt Informationen aus jedem Winkel der Erde herbei und macht sie weithin sichtbar.

Mit den Informationen über die Brände in Australien oder einen möglichen Krieg zwischen den USA und dem Iran reisen auch Gefühle um die Erde: Angst, Zorn, Hilflosigkeit und Ohnmacht werden von Millionen von Menschen geteilt und durchlebt.

Natürlich nehmen nicht alle Menschen Anteil. Aber es ist eine große und wachsende Anzahl von Menschen, die hinschaut.

Es schmerzt so schrecklich, zu wissen und zu fühlen, wie viel von unserem geliebten Planeten, von unserem Zuhause, von unserer Mutter Erde zusammenbricht, wie viele Menschen und andere Wesen leiden.

Die Angst zu ertragen, dass die Kinder von heute vielleicht die letzte Generation von Menschen sein könnten, die das Erwachsenenalter überhaupt noch erreichen, wie es der Dalai Lama 2018 in seinem Appell an die Welt so direkt und ungeschönt aussprach.

Wenn wir davon ausgehen, dass die Menschheit sich entwickelt, dann brauchen wir genau das, was viele von uns jetzt gerade durchleiden, um gemeinsam erwachsen zu werden: das Erleben von Scheitern, von Hoffnungslosigkeit, Aussichtslosigkeit, von unsäglicher Trauer, von Desillusionierung, bis hin zum Aufgeben und einer gefühlten Begegnung mit dem Sterben, mit dem Tod.

In einer Initiationskrise sind dies wichtige Bestandteile, die dazu führen, inmitten der Finsternis, in voller Demut, ein wahrhaftiges Selbst zu entdecken, das unabhängig ist von Rollen, Masken, Erwartungen, Erfolgen im Äußeren, vom Plan meines Egos, von Kontrolle und Zwang, von oberflächlichen Vergnügungen und äußerer Sicherheit.

Es ist dies die Zeit, in der wir als Menschheit inmitten der Trümmerlandschaft um uns und in uns, unser innerstes Selbst entdecken können, das zutiefst verbunden ist mit der Seele der Welt.

Vieles von diesem Selbst kennen wir schon, weil es ähnlich wie der Wesenskern eines Menschen nie ganz verschwunden war. Dazu gehört unsere Kraft zu lieben, mitzufühlen, füreinander zu sorgen, füreinander einzustehen, gemeinsam in Einigkeit Lösungen zu finden, eine Gesellschaft zu gestalten, welche die Vielfalt und Fülle unserer nicht-menschlichen Mitwesen mehrt und nährt, Kultur zu schaffen, die Menschen von klein auf bis ins hohe Alter ermöglicht, ihre Potentiale zu entfalten und zu schenken.

Jede/r von uns ist ein Teil der Menschheit, des menschlichen Bewusstseins. Margaret Wheatley erforscht und unterstützt seit fast dreißig Jahren systemischen Wandel in vielen Ländern der Erde (beispielsweise über das von ihr gegründete Berkana Institut) und beschreibt eindringlich, was es braucht, um mit heftigem Wandel auf eine lebensfördernde Weise umzugehen: einen Geisteszustand jenseits von Hoffnung und Furcht.

Mir geht es so wie vielen Menschen in meinem Umfeld, dass ich inmitten der rasanten Schreckensmeldungen über den Zustand der Welt UND der hoffnungsfrohen Botschaften über Lösungen, die auftauchen wie Pilze nach einem Sommerregen, oft regelrecht hin- und hergeschüttelt werde – zwischen aufkeimender Hoffnung und tiefer Furcht vor dem Scheitern.

Der Ausweg aus dieser Achterbahn, den Meg Wheatley beschreibt, ist es, statt eine rosige Zukunft zu wünschen oder vor einer schlimmen Zukunft zu erzittern, wie in der Meditation oder in Achtsamkeitsübungen, so voll und ganz ich es vermag, in der Gegenwart und im Jetzt zu bleiben.

Es braucht dafür die Bereitschaft, mit unserer eigenen Unsicherheit, unsrem Nicht-Wissen, und letztlich der Bodenlosigkeit des Seins vertraut zu werden, sie auszuhalten, zu lernen, uns in ihnen zuhause zu fühlen.

Leben war schon immer Veränderung, doch heute zerfallen Systeme, Ideen und Beziehungen immer schneller. Das meiste, was vor Jahren noch eine Illusion von Sicherheit spenden konnte, rinnt rasend schnell wie Sand durch unsere Finger, sodass es immer notwendiger wird, diesen Auflösungszustand ertragen zu lernen – indem wir präsent mit ihm bleiben.

Natürlich ist es schmerzhaft, präsent zu bleiben. Doch alle Vermeidungsstrategien schmerzen ebenso.

4. Zwischen Erfolg und Scheitern ist ein Raum für Zuversicht

Wenn ich weiß, was ich für die Zukunft will, und an bestimmten Lösungsstrategien festhalte, bin ich viel eher geneigt, Opfer meines Wollens zu werden. Wenn ich mich im Recht glaube, handele ich oft blindlings, und schade dabei mir selbst oder anderen. Ich streite und ignoriere bewusst oder unbewusst andere Stimmen und Bedürfnisse – weil ich so identifiziert bin mit meiner Ideologie.

Wenn ich voller Furcht bin, rechtfertige ich mit dieser unter Umständen auch die schlimmsten Sorten von „Schutzmaßnahmen“, mit denen ich mich verteidige oder sogar selbst angreife – weil ich keinen anderen Ausweg sehe. Beide Zustände sind nicht nur im Moment rücksichtslos, sondern langfristig ein Nährboden für Manipulation, Verblendung, Volksverhetzung und für ein weiträumiges Beschreiten von persönlichen oder gesellschaftlichen Irrwegen.

Wenn ich jedoch präsent bin, im Zustand jenseits des Wollens und Fürchtens, kann mein innerer Kampf zur Ruhe kommen und ich habe Zugang zu all dem, wovon ich in der Tiefe meines Selbst weiß, dass es jetzt in diesem Moment gerade stimmig und hilfreich ist, im Einklang mit allen meinen Werten.

Dies zu erleben und zu erlernen ist eine der Gaben von Initiationskrisen.

In den Initiationsgeschichten die ich von unserer Lehrerin Sobonfu Somé hörte, von ihrem Volk der Dagara in Westafrika, sei es für die jungen Menschen und für das gesamte Dorf keine Selbstverständlichkeit gewesen, dass deren fordernder und gefährlicher Initiationsprozess von allen Teilnehmenden wirklich überlebt würde.

Vielleicht kann dies tröstlich sein, in Momenten wo wir den Eindruck bekommen, dass es ganz und gar nicht mehr selbstverständlich ist, dass dieser „Initiationsprozess“ der Menschheit von uns überlebt wird.
Angesichts des Nicht-Wissens, ob alles gut ausgehen wird, sind wir darauf geworfen, in jedem Moment das zu tun, was das Richtige ist, uns so zu verhalten, als ob dieser Moment alles ist, was uns bleibt.

„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.

Vaclav Havel

Meg Wheatley schreibt, dass sie im Raum jenseits des Strebens nach Erfolg oder der Angst vorm Scheitern lernen konnte, wie es sich anfühlt, sich stimmig zu verhalten: auf unergründliche Weise klar und getragen von Energie. Wenn sie sich wütend, frustriert oder zornig fühle, habe sie gelernt, sich nicht davon bestimmen zu lassen, sondern innezuhalten, nicht zu handeln, bevor sie wieder präsent im Moment ist, und dabei immer wieder erfahren:

„Es ist nicht das Ergebnis, was zählt. Es sind die Menschen, unsere Beziehungen, die unseren Anstrengungen einen Sinn geben. Wenn wir uns von dem Drang befreien, mit unseren Bemühungen erfolgreich zu sein, können wir erleben, wie es leichter wird zu lieben.

Wir hören auf, Sündenböcke zu suchen, wir hören auf, anderen die Schuld zu geben, und wir hören auf, voneinander so enttäuscht zu sein.

Wir erkennen, dass wir wahrhaftig alle gemeinsam in einem Boot sind, und das ist alles, was zählt.“

Zum Weiterlesen:

6 Tipps für einen lebensbejahenden Umgang mit der Weltlage

Warum Demut glücklich macht und Tipps aus der Wissenschaft, um sie zu stärken

trauern

Für ihren Podcast hat Lena Lange mich eine Stunde lang ausgefragt über eins unserer gemeinsamen Herzensthemen: das Trauern.

Hier kannst du unser Gespräch anhören:

Wir reden darüber:

  • was Trauern eigentlich ist?
  • wie genau es uns dabei unterstützen kann, mit Verlusten umzugehen?
  • warum es heute für viele Menschen schwer ist? 
  • was uns helfen kann, ins Trauern reinzukommen?
  • welche Bedeutung es für unsere Verbindung zu anderen Menschen hat? 
  • uvm.

Viel Freude!

Die Ursprünge unserer Arbeit

Seit 2011 konnten wir das Trauern in Gemeinschaft durch die kraftvollen Rituale unserer Lehrerin Sobonfu Somé, die in Burkina Faso in Westafrika aufgewachsen war, erleben und erlernen.

Mit ihrem Scheiden aus dieser Welt hat sie uns eine klare Einladung dafür hinterlassen, eigene Wege des Trauerns in Gemeinschaft zu finden und zu kultivieren.

Trauern ist eine komplexe, völlig natürliche Fähigkeit des Menschen, schwere Verluste und schlimmes Leid seelisch heil und gesund zu überstehen. In Gemeinschaft zu trauern kann ein Schlüssel dafür sein, auch große Schicksalsschläge und überwältigende kollektive Trauer zu verarbeiten und – statt Bitterkeit, Aggression oder Lähmung zu erfahren – geläutert oder sogar gestärkt aus ihnen hervorzugehen.

Wir haben unsere eigenen Erfahrung mit gemeinschaftlichem Trauern nach Sobonfu Somé mit den Erkenntnissen der modernen Psychologie und Neuro-Psychologie verknüpft analysiert und aufbereitet. Damit wir authentische und wirklich hilfreiche Wege und Formen zum Trauerprozesse begleiten entwickeln können, die auch hier und heute stimmig und wirkkräftig sind.

Trauern wird gerade heute gebraucht

Wie können wir es schaffen, die Schmerzen über die Weltsituation heute und über all das was uns noch erwartet, nicht zu verdrängen, sondern sie ernst nehmen und auf uns wirken lassen, ohne davon individuell oder kollektiv traumatisiert und verbittert zu werden?

Trauerprozesse zu begleiten (und Räume für sie zu ermöglichen) kann hier ein ganz konkreter Weg sein, um angesichts von Leiden und Verzweiflung ein wenig Erleichterung zu ermöglichen.

Trauerarbeit kann Trost schenken und es leichter machen, einen lebensförderlichen Umgang mit persönlichen und kollektiven Notlagen zu finden.

 

Mit uns zusammen in Gemeinschaft trauern kannst du beim Trauer-Feuer,
unserem Ritualworkshop am Schloss Tempelhof bei Crailsheim….

Möchtest du andere Menschen begleiten lernen?
Dann komm zu unserer berufsbegleitenden Ausbildung 
“Trauerprozesse begleiten” 

Keine Zeit zu verreisen?
Hier kannst du mehr über unseren Online-Kurs
„The Medicine of Grieving“ erfahren….

Geht es euch auch so, dass die Nachrichten aus aller Welt gerade in den letzten Monaten immer schwerer auszuhalten sind?
Eine ehemalige CIA-Agentin hat Hinweise dazu gegeben, wie sie selbst mit der Flut schlimmer Nachrichten umgegangen ist, als sie einen Großteil ihres Arbeitslebens damit zubrachte, genau solche Meldungen zu sammeln.
Sie beschreibt, dass verschiedene „Gefahren“ damit verbunden sind, tagtäglich so viel Negatives zu erfahren:

  • Gleichgültigkeit – wenn uns das Schlimme irgendwann ganz „normal“ erscheint.
  • Lähmung – wenn wir so überfordert und überwältigt sind, dass wir uns außerstande fühlen, irgendwas zu tun
  • Endzeitstimmung – wenn jede weitere Neuigkeit uns in Alarmbereitschaft versetzt, dass bald alles vorbei sein könnte
  • Depression oder Post-Traumatische Belastungsstörungen – selbst wenn wir gar nicht life dabei waren – schlimme Meldungen nur allein zu hören, genügt manchmal um beides auszulösen
  • Physische Symptome – Schwindel, Kopfschmerzen, Fieberschübe, Konzentrationsschwäche, Erschöpfung usw.

Auch wenn die Versuchung vielleicht groß ist – unseren Kopf in den Sand zu stecken würde alles nur schlimmer machen.
Tatsächlich arbeiten heranwachsende Diktaturen (wie wir es gerade in den USA beobachten können) systematisch und bewusst damit, die Bevölkerung mit so vielen Negativnachrichten gleichzeitig zu überschwemmen, bis die Menschen resignieren und anfangen wegzuschauen.
Dabei werden wir gerade heute gebraucht, gerade jetzt.
Wie können wir es trotzdem schaffen, unsere seelische und geistige Gesundheit zu wahren?

1. Mitgefühl! 
Wenn ich aufhöre mitzufühlen (das gilt auch für die „helfenden“ Berufe, wo man tagtäglich mit viel Leid konfrontiert ist), kann das bald ein Burnout zur Folge haben.
Mitgefühl erscheint vielleicht anstrengend, doch kann es sogar die tiefgehende Erschöpfung eines emotionalen Burnouts verhindern.
Auch gegenüber den „Tätern“ mitzufühlen, hilft, meine eigene seelische Gesundheit zu wahren, z.B. indem ich mich hineinversetze, wie einsam und verbittert sie sich fühlen müssen, um zu solchen Taten und Entscheidungen fähig zu sein. Lasse ich wütende Gedanken zu, stimulieren diese meinen Körper immer wieder zu heftigen Reaktionen, die meine eigene Gesundheit schwächen (z.B. meinen Blutdruck oder mein Immunsystem).
Schaffe ich es, mich auf das Mitgefühl zu fokussieren (auch der Versuch hilft schon!), kann sich mein System entspannen. Ich verdränge das Leid nicht, aber es kann mir selbst nicht schaden. Auch meine Fähigkeit, aus bestem Vermögen heraus strategische Entscheidungen zu treffen, in denen ich Konsequenzen für die Zukunft in Betracht ziehe und die meinen eigenen Werten entsprechen, ist gewahrt wenn ich es schaffe in Momenten der Wut mich ans Mitgefühl mit dem anderen zu erinnern.
Klingt schwierig? Ghandi, der mit seinem friedvollen Aktivismus Berge versetzt hat, spendet uns Trost: „Mitgefühl ist ein Muskel der kräftiger wird wenn wir ihn benutzen.“
Vor allem ist es wichtig, mir selbst Mitgefühl zu schenken, für den Schmerz und das Leid, das ich in mir fühlen kann, wenn ich mit der Situation der Welt, der Menschen, der Insekten, der Erde usw. konfrontiert bin. Alle Wesen sind ein Teil von mir und auch ich bin ein Teil allen Lebens.
Wie würdest du mit einem kleinen Kind sprechen, das sich angesichts der Neuigkeiten ängstigt und trauert? Genau diese Art von Trost und Mitgefühl kann auch dir selbst gut tun.
Besonders wirkungsvoll ist dies, wenn du dich selbst dabei berührst, also beispielsweise tröstend eine Hand auf dein Herz, deinen Bauch oder Arm legst. 
Mitgefühl zu wagen braucht Mut und Tapferkeit – doch es hilft uns dabei, nicht zu verbittern, sondern unser Herz weich werden zu lassen, so dass es weiter wachsen kann.

2. Handeln! 
Auf jeden Fall hilft es, etwas aktiv zu tun, um Teil der Lösung zu sein, egal wie klein die Schritte sind. So können wir Ergebnisse sehen, die aus unserem Tun erwachsen und einen Unterschied machen, anstatt uns völlig hilflos zu fühlen.
Dies kann auch das Fürsorgen für unsere Familie, unsere Gemeinschaft, die Kinder der Nachbarn oder für die wilden Blumen am Waldrand bedeuten – für alle die lebenden Wesen die direkt in unserem Umfeld sind.
Wie Gandalf aus „Herr der Ringe“ es sagt: „Manche glauben dass nur große Mächte es vermögen, das Böse im Zaum zu halten. Ich habe das ganz anders erlebt: Es sind die kleinen alltäglichen guten Taten einfacher Menschen, welche die Dunkelheit in Schach halten. Kleine Taten der Nächstenliebe und Freundlichkeit.“ 

3. Aktive Selbstfürsorge! 
Wir können nicht 24h/Tag die Welt retten. Den größten Dienst können wir dann schenken, wenn wir gut für unsere eigenen Bedürfnisse sorgen und entsprechend gut genährt und fit sind, um darüber hinaus zu geben.
Besonders wichtig sind Bewegung und Schwitzen. Stress und Angst sind Reaktionen auf überlebensbedrohliche Gefahren. Rennen und Schwitzen sind (genau wie Schütteln und Zittern) natürliche Reaktionen des Körpers, die dafür sorgen, dass unser System wieder ins Gleichgewicht finden kann, und die wir leicht auch selbst herbeiführen können (z.B. durch Sport, oder auch beim Saunieren).
Hilfreich ist es auch, bewusst zu regulieren, wann und wie ich mir schlimme Neuigkeiten anhöre.
Kann ich es vermeiden, dass ich mir schreckliche Bilder anschaue, die besonders belastend sein können, weil sie wie real erlebte Erinnerungen wirken können?
Vor allem Kinder sollten hier von uns davor beschützt werden, durch Fernsehnachrichten o.ä. traumatisiert zu werden.
Statt kurz vor dem Einschlafen oder gleich früh morgens, kann ich vielleicht vormittags, wenn ich mich wach, ausgeruht und innerlich gefestigt fühle, bewusst Zeit dafür nehmen, mich mit herausfordernden Themen zu beschäftigen.

4. Perspektiven wechseln!
Noch ist die Welt nicht untergegangen, obwohl die Geschichte schon unglaublich viel Leid gesehen hat. In der Vergangenheit sind viele Diktaturen entstanden – und wieder zerbrochen. Verbrannte Erde hat sich in fruchtbare Gärten gewandelt mit der Zeit. Die Erde verfügt über erstaunliche Selbstheilungskräfte. Das Leben will LEBEN!
Aus dem Nichts heraus ist das Universum entstanden mit all seiner Schönheit wie wir sie kennen, und mit all der Komplexität, die immer größer zu werden scheint.
Gerade aus politische Gräueln haben viele Menschen es geschafft, lebensbejahende Konsequenzen für ihr Denken und Handeln zu ziehen, und damit Raum zu erschaffen oder zu halten, für Frieden und Miteinander.
Auch gibt es neben den schlimmen Ereignissen gerade heute eine unendliche Vielzahl positiver Geschehnisse in der Welt, die viel mehr Beachtung verdienen, zu finden z.B. hier bei upworthy,com oder bei Positive News oder auf deutsch bei der Zeitschrift Oya.

5. Mit Gleichgesinnten verbinden!
Wir brauchen einander, wirklich. Die Weltlage zeigt ganz deutlich, dass es auch für die einsamsten Wölfe Zeit wird, ein Rudel zu finden.
„Weg von der Helden-Figur und hin zu einem der Menschen versammelt“ nennt Zukunftsforscherin Meg Wheatley die Entwicklung, die Führungskräfte in aller Welt gerade durchmachen, wenn sie die Wirk-Kraft ihrer Arbeit stärken wollen.
Statt einem einsamen „Superman“ zuzujubeln, der uns alle rettet, werden wir selbst gemeinsam mit einigen und in Kooperation mit ganz vielen auf der Welt die Zukunft lebenswert machen.
Und die Verbindung zu anderen Menschen ermöglicht es uns, im Alltag glücklicher zu sein, also auch mit mehr Gelassenheit den Härten des Lebens begegnen zu können und widerstandsfähiger gegenüber Verzweiflung, Depressionen oder Süchten zu sein.
Wir Menschen sind zutiefst soziale Wesen, und wir brauchen einander, um uns in der Welt wirklich wohl und zuhause zu fühlen, und auch um uns selbst als wirk-kräftig in unserem Tun und Sein zu erfahren.
shutterstock_633402731Dazu gehört es auch, einander zuzuhören, zu bezeugen und immer wieder auch gemeinsam zu trauern.
Auch die nicht-menschlichen Lebewesen können uns als Teil ihres Beziehungsgeflechts unterstützen, indem wir unsere Verbindung zu ihnen nähren.
So kann die Verwurzelung in der Natur uns Halt schenken in Zeiten der Angst und Überforderung. Sie erwächst aus innigen Erfahrungen, die wir auch im Alltag draußen machen können, wenn wir bewusst hinschauen und hinspüren und Insekten, Bäume, Vögel und alle anderen als unsere Verwandten anerkennen.

6. Humor kultivieren – jetzt erst recht! 
Mein Sohn und ich hören gerade viel dem Dalai Lama zu. Der weltliche und geistliche Führer der Tibeter beschäftigt sich intensiv mit den Missständen auf der Welt und ist doch als fröhlicher, ausgelassen heiterer Mensch bekannt. In seinem „Buch der Freude„, das aus Gesprächen zwischen ihm und Erzbischof Desmond Tutu entstanden ist, beschreibt er wie grundlegend es für unsere seelische Gesundheit ist, dem Leben in all seiner Schwierigkeit doch immer wieder mit Humor zu begegnen.
Freude und Glücklichsein sind nichts, was von außen uns geschenkt werden kann – sie wollen im Innern gefunden und bewusst kultiviert werden.
Für mich ist Humor eins der größten Geschenke, die wir unseren Kindern geben können, weil jedes kleine noch so feine Lachen oder Schmunzeln wie ein Lichtlein sein kann, das wir im Dunkeln anzünden.
Und wo ausgelassen aus tiefstem Bauch heraus gelacht wird, wird auch die größte Angst schmelzen und es wird Raum entstehen, in dem Liebe und Frieden lebendig sein können.
Damit das Leben immer weiter gehen kann!

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4 mal ZuverSicht – Hilfreiche Einsichten für schlimme Zeiten
Diese Themen und mehr kannst du vertiefen in unserem Circlewise Leadership Training hier…
Deine Trauer lindern und durchs Trauern wieder zu mehr Leichtigkeit finden, kann unser Trauer-Feuer im November dir ermöglichen, Infos dazu hier…

Der Februar ist die Zeit der Vorstellungskraft. Vor dem Hintergrund der noch kahlen, vom langen Winter erschöpften Landschaft voller Weiß und Grau leuchten die zartesten Grün- und Rottöne köstlich hervor. Die meisten Pflanzen verbergen ihre neu erwachende Lebenskraft noch geschützt vor der Kälte im Schoß der Erde oder unter den erst ganz allmählich anschwellenden Knospenschuppen an den ansonsten noch unscheinbaren dürren Trieben. Und die frühesten Frühlingsboten, die feingliedrigen Schneeglöckchen, verstecken sich ganz nah am Erdboden, zwischen zerfallendem braunen Laub.

Die Leere nimmt sich den meisten Raum in dieser Jahreszeit, wo das Alte vorbei ist und das Neue immer noch nicht angefangen hat. Dies ist von allen Monaten die Jahreszeit, wo die meisten Seelen unsere Welt wieder verlassen, nicht in eine neues Lebensjahr aufbrechen, sondern umziehen ins Land der Ahnen. Umso schmerzlicher erleben die die hier das irdische Leben weiterleben den Verlust der Geliebten, in dieser scheinbar so leeren, kalten Zeit.

Für uns, die hier bleiben, stellen sich Fragen: Was wird dieses neue Jahr bringen? Was wollen wir erschaffen? Wie wollen wir das Leben gestalten?

Der Februar lädt uns ein, zu lauschen, und im weiten leeren Raum zu spüren, zu sehen oder zu hören, was möglich ist. Die Visionen für das neue Jahr zeigen sich wie Träume, manchmal eindrucksvoll und klar, manchmal flüchtig und zart, und wollen gern berührt und festgehalten werden, denn wie Träume die nicht erzählt werden, verblassen sie schnell, besonders wenn im März das volle Leben im Außen wieder losgeht und der stille, leere Raum von Geschäftigkeit erfüllt wird.

Der Februar ist von allen Jahreszeiten die Zeit, wo wir Vision am leichtesten und deutlichsten empfangen können und unsere Vorstellungskraft für all das Gute was sein kann, wie einen Muskel am stärksten trainieren und wachsen lassen können.

Was ist dein Bild von einem guten Leben als Menschen auf der Erde? Wie hört es sich für dich an? Wie fühlst und empfindest du es? Was genau siehst du vor deinem inneren Auge, wenn alles was gut und heilsam wäre möglich sein könnte? 

Diese Bilder sind lebenswichtig, nicht nur für dich persönlich, sondern für die Menschheit als Ganzes.

Der US-amerikanische Mythenforscher Michael Meade schreibt über die Bedeutung der menschlichen Vorstellungskraft für unser Weiterleben als Spezies auf der Erde:

„Leben in unserer Zeit heute bedeutet, sich inmitten eines Mythos zu befinden. Wir stehen vor all den massiven Problemen und unmöglich zu lösenden Aufgaben, unter denen unsere moderne Welt gegenwärtig leidet. Es ist eine außergewöhnliche Zeit, in der sowohl die Natur als auch die Kultur alles an Heilung und schöpferischer Fürsorge gebrauchen können, derer wir als Menschen fähig sind. 
Immer stärker scheint es, dass uns die Zeit wegläuft, und dass was auch immer noch möglich ist, unverzüglich geschehen muss. Das Bedürfnis danach, dass sich jemand der drängenden Herausforderungen wahrhaftig annimmt, und eine große Dringlichkeit und Eile sind zu spüren, damit alles was noch zu tun bleibt, jetzt wirklich sofort getan wird. 
Die alten Mythen jedoch ermöglichen uns eine andere Sichtweise auf unsere Situation. Wenn die Zeit uns wegläuft und niemand mehr Zeit finden kann, dann ist es eben nicht einfach Zeit die fehlt, sondern der Kontakt mit der Ewigkeit. 
Wie alles andere auch, entspringt die Zeit in der Ewigkeit. Und wenn wir sie nicht mehr finden können, ist die Ewigkeit der richtige Ort, um nach ihr zu suchen. Das „Ende der Zeit“ führt uns zurück zu den Wurzeln der Ewigkeit, wo wir auch die niemals versiegende Quelle wahrhaftiger Inspiration, großartiger Ideen und bedeutsamer Visionen finden. 
Leben in unserer Zeit heute bedeutet, inmitten eines gewaltigen Auflösungsprozesses gefangen zu sein, in dem wir uns Seite an Seite mit vielen anderen losen Fäden der Schöpfung wiederfinden. Es bedeutet gleichzeitig auch, dass wir ganz nahe daran sind, eine neue Gestalt und eine erneuerte Art und Weise auf die Welt zu schauen zu erfahren.
Die alten Weisen sagen, dass die Höhle des Wissens in den Tiefen der menschlichen Seele gefunden werden kann, dass jede Seele durchwirkt mit inneren Qualitäten ist, deren Bestimmung es ist, in die Welt hineingewebt und ein Teil des Schöpfungsgewands zu werden. Sie sagen, dass die Gaben jeder Seele gerade im Wiederkehren der dunklen Zeiten wichtiger werden. 
So seltsam es erscheinen mag, bildet doch das Bewusstsein des einzelnen Menschen ein Zugewicht auf der Waage von Zeit und Ewigkeit. Die im eigenen Leben versteckten Bedeutungen auszuleben hilft, das Gewicht der Welt im Gleichgewicht zu halten. Jedes Leben ist dabei um einen unsichtbaren, ewigen Faden gewickelt, und jeder Lebensfaden ist eine bedeutsame Geschichte, die aus den Mauern der Zeit ausbrechen will, um der Schöpfung zu helfen. Die Seele ist letztendlich der Sitz der Vorstellungskraft, der Raum in dem unser uraltes Erbe der archetypischen Formen und der Ressourcen unserer Ahnen lebendig sind. 
Vorstellungskraft ist für uns ein essentielles Lebensorgan, und beständig denken wir uns die Welt neu und nehmen beständig teil in ihrer Erschaffung, ihrer Zerstörung und ihrer Erneuerung. 
Wenn es scheint, dass das Ende der Zeit naht, sind es die zeitlosen Dinge, die greifbar werden, und bereit dafür sind, die Welt Moment für Moment neu zu erschaffen. Hinter allem Aufruhr und aller Verwirrung dieser Welt, warten die Vorstellungskraft und der lebendige Geist des Ewigen in der Anderswelt darauf, wieder gefunden zu werden. „

aus Michael Meade, „Why the World Doesn’t End“

Der Februar schenkt die Leere, die es braucht, wieder in Verbindung mit unserer Vorstellungskraft zu kommen – damit das Leben weitergehen kann.
 
dankbarkeit

Über die Dankbarkeit, aufgeschrieben von Elke Loepthien.

“Wir sind nur dann wirklich lebendig, wenn unser Herz sich unserer Schätze bewusst ist.” 
Thornton Wilder

Wie Klettverschluss und Teflon

In unserer Wahrnehmung der Welt ist eine interessante Dynamik festzustellen, die vom Psychologen Rick Hanson beschrieben wurde:
„Das menschliche Gehirn sucht, registriert, verwahrt, erinnert und reagiert vor allem auf unerfreuliche Erfahrungen. Es verhält sich wie ein Klettverschluss-Streifen für negative und wie Teflon für positive Erlebnisse.“
Aus diesem Grund haben wir eine natürliche Neigung dazu, ein in der Tiefe pessimistisches und düsteres Lebensgefühl zu entwickeln – sogar wenn wir viel mehr positive als negative Erlebnisse haben.
Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt, diese Düsterkeit auch in unsere Zukunft zu projizieren, vielleicht ein Grund für die immer wiederkehrenden Prophezeiungen für den Weltuntergang.

Der 5/1-Faktor 

Der Paarpsychologe John Gottman stellte fest, dass in gelingenden Beziehungen ein Verhältnis von 20/1 besteht zwischen Positivem und Negativem: Nur einmal Kritik auf 20 mal Wertschätzung, einmal Ärger auf 20 mal Freude, eine Klage auf 20 Komplimente. Dasselbe gilt auch für Teams und Organisationen.
Es braucht also viel mehr Gutes als Negatives, damit wir glücklich sein können und dieses Gute will auch wahrgenommen werden.
Wie kannst du dem Guten in deinem persönlichen Leben, in Familie und Gemeinschaft mehr Raum geben? Durch Danken!

Dankbarkeit als Schlüssel

Aber kann Danken wirklich Glücklichkeit hervorbringen?
Das kann es! Vor einigen Jahren veröffentlichten die Wissenschaftler McCullough und Emmons ein ganzes Buch darüber.
Sie fanden heraus, dass Dankbarkeit als Schlüsselelement in vielen Kulturen der Welt angesehen wurde und bewiesen in einer Studie, dass tägliches Üben von Danksagungen die Zufriedenheit und Glücklichkeit im Leben eines Menschen erheblich steigern. Inzwischen haben unzählige Wissenschaftler*innen die unmittelbaren und langfristigen positiven Auswirkungen von Dankbarkeit belegt und bewiesen.

Dankbarkeit als Baustein für Kultur

Regelmäßiges Danken verändert deine gesamte Wahrnehmung zugunsten der kleinen und großen Geschenke im Leben.
Die menschliche Grundtendenz, mehr auf negative Erfahrungen zu achten, mag wichtig für unser physisches Überleben sein.
Das kulturelle Element des Dankens scheint dagegen eine wichtige Rolle für unser geistiges und spirituellesÜberleben zu spielen. Ganz sicher ist es wichtig für unsere Fähigkeit, ein gutes und befriedigendes Leben für uns selbst und unsere Lieben zu schaffen.

Weitergeben und wachsen lassen

Zuhause erzählen mein 6jähriger Sohn und ich einander abends beim Ins-Bett-Bringen, wofür wir heute dankbar sind. Kinder finden es toll, ihre Dankbarkeit für Sonnenschein, Tierbegegnungen, Feuerwehrautos oder helfende Nachbarn auszusprechen und auf diese Weise die Geschichte ihres Tages zu ernten. Es hilft ihnen auch dabei, die Wertschätzung und Liebe für Natur und Menschen in sich wachsen zu lassen.

„Die Worte die vor allen anderen kommen“ 

Bei den Haudenosaunee, der Konföderation der Irokesen-Stämme in Nordamerika, gibt es den Brauch, Versammlungen mit einer Danksagung zu eröffnen, den „Worten die vor allen wichtigen Angelegenheiten gesprochen werden“. Sie dient dazu, Wertschätzung, Liebe und Dank für alle Wesen der Natur auszudrücken und dabei unseres eigenen Platzes innerhalb der natürlichen Welt bewusst zu werden.

Das gemeinsame Danken für die gesamte Schöpfung hilft, die Herzen und den Verstand der Menschen zu öffnen und zu fokussieren, um gut miteinander zu kommunizieren, zu lernen oder Entscheidungen zu treffen. Es erinnert uns auch daran, welchen Platz wir als Menschen innerhalb der Schöpfung einnehmen und wie stark verbunden wir mit allen natürlichen Wesen und allen anderen Menschen sind.
Diese „Thanksgiving Address“, wie sie in englischer Sprache manchmal genannt wird, ist eine kultur-typische Form des Dankens, die wir nicht kopieren und uns aneignen dürfen. Wir können aber respektvoll lauschen und lernen.

Damit wir uns von der überlieferten Weltsicht und Weisheit indigener Kulturen inspirieren lassen, für unser Leben und für unsere Kultur an dem Ort wo wir leben, unsere eigenen Wege und Weisen zu finden, gemeinsam zu danken und umso respektvoller auch mit unserer Mitwelt umzugehen.

Hier findest du einen Film mit Whatweni⋅neh – Frieda Jacques vom Turtle Clan Kateri der Onondaga Nation, mit Riley Thornton, Snipe Clan. Der Film entstand in der Onondaga Nation School und erklärt Sinn und Zweck der Danksagung, und wie diese von Situation zu Situation variiert werden kann.

Weiter unten kannst du Tom Porter sehen, ehemaliger Chief der Mohawk, wie er ausführlich die traditionelle Danksagung und ihre Bedeutung erklärt.

Ich wünsche dir ein neues Jahr voller kleiner und großer Dankbarkeiten!
Elke

 

 

Interessierst du dich für Vielfalt bejahende, naturverbundene Spiritualität? 

Dann könnte unsere Ausbildung in naturverbundener Ritualarbeit dir vielleicht gefallen. Alle Infos dazu findest du hier…

„Inmitten der gerade jetzt oft überwältigenden Komplexität der gesellschaftlichen Vorgänge und angesichts der bedrohlichen Herausforderungen vor denen wir stehen, kann eine naturverbundene, undogmatische und lebensbejahende Spiritualität für uns wie ein Fels in der Brandung sein.

Sie kann es uns ermöglichen, seelische, gesellschaftliche und ökologische Not gesund zu überstehen, und schöpferisch dazu beizutragen, Freude, Frieden und Leichtigkeit inmitten vom Chaos selbst zu erleben und für andere zu schenken.“